Ich bin in einigen Autoren-Gruppen unterwegs. Bei Facebook finden sich recht viele dieser Art. Ich mag den Austausch dort wirklich gerne und nicht zuletzt springen immer wieder durchaus angenehme Kontakte bei interessanten Diskussionen dabei heraus. Eine Frage liest man dort immer wieder: Wie schreibe ich ein Exposé?

Es scheint das Grauen vieler Autoren zu sein, das begonnene oder fertige Werk in ein kurzes Schriftstück hinein zu pressen, das die Wichtigkeit einer Bewerbung hat. Ich möchte heute mal ein paar Zeilen über das Exposé „von der anderen Seite“ aus verlieren.

Das Expose

Warum ist das Exposé so wichtig?

„Wie soll ich denn alles, was in meinem Manuskript wichtig ist, in so wenig Text packen? Kann ich nicht einfach das ganze Manuskript senden?“ Ein Exposé hat vor Allem einen Zweck: Es spart Zeit. Denn Zeit ist Mangelware und das bisschen, was vorhanden ist, stecke ich lieber in die Projekte, die bereits laufen. Das gilt auch für die Lektoren, die sich die Einsendungen anschauen und bewerten. Ein gutes Exposé bietet alle wichtigen Informationen auf einen Blick. Ich verstehe durchaus, dass sich der Autor sehr, sehr lange mit seinem Werk auseinander gesetzt hat und jetzt erwartet, dass wir das ebenfalls tun. Und das machen wir auch, aber erst, wenn es angenommen wurde. Dann nehmen wir uns die Zeit. Vorher nicht, denn sonst würden wir uns vollkommen verzetteln.

Ein Autor, der uns Zeit mit einem guten Exposé spart, hat also schonmal einen Wohlwollens-Punkt mehr, wenn es an die Bewertung geht.

Was gehört in ein gutes Exposé?

Tatsächlich ist die Anforderung an ein Exposé von Verlag zu Verlag verschieden. Ich kann also nur für uns bzw. mich sprechen, gehe aber davon aus, dass es viele andere ähnlich sehen. Im Zweifelsfall bitte immer beim angepeilten Verlag auf der Homepage nachsehen und das Exposé individuell (!) anpassen. Dasselbe gilt auch für Literaturagenten.

Für uns sind folgende Inhalte wichtig:

Eine Einsortierung in das (beabsichtigte) Genre/Untergenre. Damit sehe ich auf den ersten Blick, ob es passen könnte. Steht hier z.B. „Krimi“, lese ich gar nicht erst weiter. Gerne dürfen hier auch zwei Worte zur Atmosphäre der Geschichte stehen.

Die Angabe der Zielgruppe. Damit sehe ich ebenfalls, ob es zu den bereits erschienenen Büchern passt oder ob wir davon vielleicht auch schon einen Überhang/eine Unterbesetzung im Programm haben.

Angaben zum Umfang des Textes. Ich brauche an dieser Stelle eine Zahl. Entweder in Zeichen inklusive Leerzeichen oder in Wörtern. Mir persönlich sind Wörter lieber, aber da scheiden sich die Geister. Auch eine Anzahl an Normseiten ist in Ordnung.

Angaben zur Art des Werks. Ist es in sich abgeschlossen? Ist es Teil einer Reihe? Ist es ein in sich abgeschlossener Teil einer Reihe? Sind Fortsetzungen geplant? Sind Fortsetzungen möglich? Wenn es ein Reihenauftakt ist, wie viele Bände soll es insgesamt geben?

Angaben zum Bearbeitungszustand. Ist es bereits komplett fertig geschrieben? Falls nicht, wie viel ist fertig, was fehlt noch? Steht die Handlung schon komplett? Wann ist es voraussichtlich komplett fertig?

Angabe der Erzählperspektive(n). Ist es ein personaler Erzähler? Oder der allwissende Erzähler? Ich-Form? Ist das Buch in einem eher ungewöhnlich Tempus geschrieben, dann darf das hier auch noch erwähnt werden.

Etwas zu den Hauptfiguren. Ich möchte die Charaktere kennen lernen – und zwar jeweils in maximal zwei bis drei Zeilen. Hier dürfen sich gerne viele Adjektive tummeln. Ich möchte auch wissen, welche Entwicklung sie im Handlungsverlauf durchmachen.

Eine Zusammenfassung des gesamten Inhalts. Das ist für viele der wohl schwierigste Teil. Versucht es aber bitte. Versucht es auf eine Seite runterzubrechen. Das geht. Ihr müsst euch folgendes vor Augen halten: Mit jeder Zeile steigt die Gefahr, dass der Gutachter aufhört zu lesen. Die phänomenale Wendung, die die Geschichte am Ende nimmt, bekommt er dann gar nicht mehr mit. Denn je länger die Zusammenfassung, desto öder liest sie sich. Bitte bleibt auch mit keinem einzigen Satz „geheimnisvoll“. Und Fragezeichen gehören hier schon überhaupt nicht hin. Keine Cliffhanger und auch bitte das Ende komplett verraten.
Anders formuliert: Kill your darlings, nicht drumrumschwurfeln! (Danke an Sandra vom piepmatz Verlag für diese treffende Formulierung!)

Was gehört nicht in ein Exposé?

Deine Vita. Auch da scheiden sich die Geister, aber ich habe das lieber in zwei einzelnen Dateien. Wenn ich auf die Datei mit dem Namen „Exposé“ klicke, dann möchte ich auch primär das Exposé lesen. 😉 Und wenn ich es ans Lektorat für eine Einschätzung verschicke, interessieren die sich auch nur mäßig für den Werdegang des Autors.

Zielgruppenanalyse und Marktforschung. Es ist super, wenn der Autor sich Gedanken um die Zielgruppe macht. Zumindest, was den Text angeht. Ich möchte keine Diagramme im Exposé sehen, wie kaufkräftig die angepeilte Zielgruppe in welchen Regionen ist und was die Konkurrenz so tut. Wirklich nicht.

Marketingstrategien. Ganz ehrlich? Das ist mein Job. Wenn das Buch angenommen ist, spricht absolut nichts dagegen, wenn man sich gemeinsam über Marketingmaßnahmen unterhält. Das mache ich auch sehr gerne. Aber in einem Exposé haben sie nichts verloren und wirken sogar sehr abschreckend.

Die Meinungen der Freunde oder Testleser. Ich verlasse mich da tatsächlich ausschließlich auf die Meinungen meiner Lektoren. Und auf meine eigene.

Rotstift

Stolperfallen im Exposé

So, jetzt kommt das eigentlich interessante. Ich möchte nochmal betonen, dass es sich bei dem ganzen Text hier um meine persönliche Meinung und Herangehensweise handelt. Aber ich bin wirklich überzeugt davon, dass es viele andere „von der anderen Seite“ ganz ähnlich sehen. Die oben genannten Punkte bergen durchaus das ein oder andere Risiko – und zwar indem sie (falsch) genannt werden oder überhaupt nicht. Klingt kompliziert? Ich drösel das jetzt mal in aller Ruhe auf.

Die Sache mit dem Genre/Untergenre. Seht zu, dass diese Angabe stimmt. Im Ernst jetzt. Ich würde das hier nicht schreiben, wenn wir nicht schon Exposés erhalten hätten, in denen das Genre schlicht falsch angegeben war. Das zieht gehörig Wohlwollens-Punkte ab, denn man muss sich folgende Frage stellen: Hat der Autor keine Ahnung von dem Genre, in dem er schreibt bzw. schreiben will? Nicht gut. Oder will er uns einfach veräppeln und hält uns für doof? Noch weniger gut.

Die Zielgruppe. Das ist so eine kleine Angabe, aber sie ist so unheimlich wichtig. Gar nicht mal nur wegen der oben angegebenen Zeitersparnis sondern – und jetzt Achtung – weil ich sehe, ob der Autor seine Hausaufgaben gemacht hat. Es gehört nämlich durchaus zum Handwerk, einen Text konsistent auf eine Zielgruppe auszurichten. Ein etwas überspitztes Beispiel: Wenn etwas als Kinderbuch (extrem einfache Sprache und Handlungen) beginnt, dann aber zum Thriller (hoch spannende Passagen) wird oder ein Jugendbuch, das im weiteren Verlauf Hardcore-Erotik enthält, lässt sich schlicht und einfach nicht vermarkten, da sich die Gruppen der potentiellen Leser gegenseitig ausschließen oder einfach eine verschwindend kleine Schnittmenge haben. Hat sich der Autor beim Schreiben Gedanken um die Zielgruppe gemacht, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er diese Angabe im Exposé vergisst, sehr gering. Hat er sich eben diese Gedanken nicht gemacht und lässt sich die Geschichte daher vielleicht gar nicht einordnen, dann wird diese Angabe fehlen.

Textumfang. Angaben wie „250 DIN A5-Seiten“ zeugen in einem solchen Maß davon, dass sich der Autor absolut nicht mit dem Handwerk auseinander gesetzt hat, dass das alleine ein Ablehnungsgrund ist. Ich kann nur mit normierten Angaben abschätzen, welchen Umfang das gedruckte Buch hinterher haben könnte. Selbst wenn Schriftart, -größe und Zeilenabstand dabei stehen (das sind übrigens auch so Angaben, die hier absolut nichts verloren haben), werde ich sicherlich nicht anfangen auszurechnen, was das hinterher in Normseiten sein könnte. Abgesehen davon, dass weder ich noch meine Lektoren Lust haben, das Manuskript erstmal umzuformatieren, damit man damit arbeiten kann.

Angaben zur Art des Werks. Die Sache mit den Reihen. Das was jetzt kommt, werden viele so absolut gar nicht lesen wollen. Vor allem nicht, wenn sie im Fantasy-Bereich unterwegs sind, denn dort gehören Trilogien ja zum guten Ton. Ist der Autor schon so weit, dass er ein paar Veröffentlichungen hat – und damit meine ich eigene Romane, keine Kurzgeschichten in Anthologien – dann ist es okay, wenn der erste Teil einer Reihe (bleiben wir mal beim Beispiel Trilogie) angeboten wird. Handelt es sich um einen Debüt-Roman, sieht es schon anders aus. Ich erkläre es mal so: In der Regel müssen Verlage sehr genau selektieren, was sie annehmen, da der personelle und finanzielle Rahmen begrenzt ist. Wenn ich jetzt zwei Werke habe, die beide *eigentlich* grünes Licht bekommen könnten – dann wird es das Buch, das eigenständig und abgeschlossen ist. Der Grund ist simpel, erstens habe ich bereits Reihen im Programm. Wenn ich weitere aufnehme, dann gibt es irgendwann einen Engpass und es stehen nur noch Fortsetzungen auf dem Plan. Damit bindet man zwar den ein oder anderen Leser, gewinnt aber kaum neue. Und bei einem Debüt-Autoren ist es zweitens eben auch immer ein Risiko, dass das erste Buch floppt. Bei einem eigenständigen Werk ist das eben so – bei einer Trilogie kann das zur Katastrophe werden. Das ist also ein wirklich gut gemeinter Rat an alle, die gerade an ihrem allerersten Buch sitzen: Schließt es ab.

Angaben zum Bearbeitungszustand. Hier ist an Angaben alles erlaubt, bis auf eine Sache. Wenn das Buch noch nicht fertig ist, erwarte ich, dass der Plot steht für den kompletten Rest. Denn wenn er das nicht tut, dann heißt das, dass sich der Autor von seinen Protagonisten lenken lässt, wie es denen gerade in den Kram passt. Das mag in einigen Fällen okay sein, aber mit so einem unberechenbaren Handlungsverlauf kann ich nicht planen. In so einem Fall wäre es vielleicht sinnvoller, das Buch erst fertig zu schreiben und dann einzureichen.

Angabe der Erzählperspektive(n). Das ist tatsächlich ein ziemliches Thema. Immer und immer wieder. Erzählperspektiven sind Handwerk und wenn diese Angabe fehlt, dann gehe ich analog zur Zielgruppenangabe davon aus, dass sich der Autor keine Gedanken darum gemacht hat und die Perspektiven ein Fall fürs Lektorat werden.

Etwas zu den Hauptfiguren. Die Entwicklung der Charaktere im Handlungsverlauf, das ist hier der Knackpunkt. Wenn sich eine Figur über die Geschichte hinweg nicht entwickelt, dann ist sie in der Regel sehr, sehr fad. Also schreibt die Entwicklung dazu, das zeigt, dass etwas passiert.

Eine Zusammenfassung des gesamten Inhalts. Das Wichtigste hierzu habe ich oben schon erwähnt. Im Idealfall nicht mehr als eine Seite, keine Fragen, nicht versuchen spannend zu schreiben, alle wichtigen Wendungen und auf jeden Fall das Ende verraten.

Dinge, die nicht ins Exposé gehören. Ich erwähne das nochmal an dieser Stelle, da es wirklich negative Wohlwollens-Punkte hageln kann. Keine Marketingstrategien, keine Marktforschung und auch bitte keine Verkaufsanalysen. Mir wurde in einem Exposé auch schonmal mitgeteilt, in welcher Auflagenhöhe sich der Druck lohnen würde. Nein, nein und nochmal nein.

Nochmal: Warum ist das Exposé so wichtig?

Ich habe ab und zu das Wort „Wohlwollens-Punkte“ verwendet. Das hat einen Grund, denn damit kann man das ganz gut erklären. Wenn ein Exposé gut ist, vollständig, uns damit eine Menge Zeit spart und ich sehe, dass sich der Autor Gedanken gemacht hat, dann schaue ich mir auf jeden Fall die Leseprobe an. Je mehr Punkte der Autor vorher gesammelt hat, desto eher sehe ich dann über Tippfehler oder einen Schluckauf in der Logik hinweg, denn das kommt hinterher im Lektorat ohnehin an die Oberfläche. Wenn der Autor aber mit seinen Punkten im negativen Bereich rumdümpelt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich die Leseprobe – wenn überhaupt – im Zickenmodus ansehe. Das klingt jetzt fies, ist aber menschlich. Und ich bin mir nach wie vor sicher, dass ich damit nicht alleine auf weiter Flur stehe.

Ich hoffe, ihr habt mich nach diesem Artikel noch lieb und schreibt das nächste Exposé mit links. Oder rechts, was auch immer euch lieber ist. 😉 Die angeführten (Negativ-) Beispiele oben sind übrigens keine Erfindungen meines Hirns, sondern tatsächlich hier schon so eingetrudelt. Mehrfach.

Hast du schonmal ein Exposé verfasst? Was waren die Schwierigkeiten? Oder ging das bei dir so einfach wie ein Katana durch Butter?


Nachtrag (23.02.):

Ich habe eine Mail zu diesem Artikel bekommen von Birgit, die sich ganz hervorragend beim Thema „Exposé in der Fachliteratur“ auskennt. Auch wenn es bei „unseren“ Exposés um Belletristik geht, so passen ihre Anmerkungen doch ganz wunderbar und sie hat natürlich recht, dass das noch erwähnt werden sollte. Daher hier noch drei Ergänzungen:

  • Logischer Aufbau und Struktur: ein roter Faden –> Es ist nichts schrecklicher, als wenn man vergeblich den roten Faden im Text sucht, der von A nach B zu C und wieder zurück nach A etc. springt. Da hat man schon keine Lust weiterzulesen.
  • Grammatik: Füllsätze, schwammige Formulierungen, Redundanz etc. sind der Tod eines Exposés, selbst wenn die zugrundeliegende Idee bzw. das Thema noch so spannend sind: Mit fehlerhafter Grammatik lässt sich jeder Text, jedes Thema erschlagen.
  • Rechtschreibung: Im Zeitalter automatischer Rechtschreibprüfungsprogramme, sollten Rechtschreibfehler der Vergangenheit angehören, von Ausnahmen abgesehen.
Vielen Dank liebe Birgit!

Nachtrag (27.02.):

Karola hat noch eine wichtige Anmerkung: Bitte sendet das Exposé (und auch die Leseprobe) als pdf- oder doc-Datei. Andere Formate wie odt sind in der Regel auch okay, aber bitte kopiert den Text NICHT einfach in eine E-Mail. Das ist durchaus schon vorgekommen, deshalb sei es hier nochmal erwähnt.

Danke Karola!


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