Heute gibt es kein Tutorial, keinen Bericht. Sondern etwas ganz persönliches.  Ich muss das jetzt einfach mal loswerden. Ich ertappe mich durchaus ab und zu bei dem fiesen Früher-war-alles-besser-Gedanken. Sehr selten, aber es kommt vor. Und einen dieser Gedanken muss ich jetzt einfach mal breit treten.

Ich bin bekanntermaßen großer Fan des Technik-Fortschritts. Ich mag Internet und Plastik und Smartphones und virtuelles Gedöns und so. Ehrlich. Ich verdiene da sogar mein Geld mit, das ich dann durch Vorlage einer Plastikkarte gegen Lebensmittel eintauschen kann.

Moderne Kommunikation: Die Absage-Kultur

Erreichbarkeit als ständiger Begleiter

Ich mag auch die neue Art der Kommunikation. Warum etwas in einem drei-Minütigen Telefonat klären, wenn man es auch in acht Stunden per WhatsApp tun kann? Aber Spaß beiseite, ich gehöre zu jener Generation, als Pager plötzlich die große kommunikative Freiheit vom Festnetztelefon darstellten. Plötzlich auch unterwegs erreichbar – yeay! Ich erinnere mich auch noch daran, dass man zum Telefonieren das Lokal verlassen hat, da es echt peinlich war, ein Handy dabei zu haben. Spannend, wie sich alles entwickelt hat.

Ich möchte jetzt nicht darüber herziehen, wie es aussieht, wenn vier Leute zusammen im Restaurant an einem Tisch sitzen und jeder nur auf seinem Smartphone rumtippt. Ich möchte auch nicht darüber philosophieren, ob es sinnvoll ist, ein Konzert nur durch das Display anzusehen, weil man es gerade aufzeichnet – anstatt live (!!) mit zu feiern. Mir geht es heute um die Absage-Kultur.

Smartphone - die Welt immer dabei

Bild aus meinem Portfolio bei Fotolia/Shutterstock (Fotograph: Greazel)

Absagen leicht gemacht

Wenn sich früher eine Gruppe verabredet hat, sagen wir mal zum Besuch eines Jahrmarkts (das klingt so schön nostalgisch), dann traf man sich vor Ort zur ausgemachten Uhrzeit. Man hat versucht halbwegs pünktlich zu sein, damit die anderen nicht warten müssen oder gar schon losgehen. Schließlich konnte man die Gruppe ja nicht erreichen. Ist einem aus der Gruppe etwas dazwischen gekommen, musste er oder sie wohl oder übel das Telefon zur Hand nehmen und jemanden anrufen um Bescheid zu sagen. Rechtzeitig, denn wir reden hier ja vom Festnetz-Telefon. So ganz nebenbei musste man damals auch nie fragen „Wo bist du gerade?“, aber ich schweife ab.

Und genau das ist der Knackpunkt. Hand aufs Herz, wer hatte schon einmal kurz vor einer Verabredung doch keinen Bock mehr und hat mal eben ne kurze Nachricht getippt? Oder getippt, gelöscht, getippt, nochmal korrigiert und dann erst abgeschickt? Und wer hat sich schon einmal über eine solche Nachricht geärgert? Stellt euch mal vor, ihr hättet nicht tippen-löschen-tippen-senden können, sondern hättet anrufen müssen. Das hat eine völlig andere Wertigkeit, denn man weiß genau, dass am anderen Ende der Leitung gleich jemand enttäuscht sein wird. Und dieser jemand wird vermutlich auch noch Fragen stellen, warum man denn wirklich absagt – würdet ihr die Wahrheit sagen?

Es geht um Wertschätzung

Ich habe früher lieber eine Kopfschmerztablette genommen und bin dann doch mit einer Freundin ins Kino anstatt mich zuhause unter die Decke zu verkrümeln (ebenfalls mit Kopfschmerztablette) und habe diese Entscheidung im Nachhinein nie bereut. Heute wird einfach mal abgesagt, ganz schnell per SMS, WhatsApp oder Facebook-Nachricht. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass Verabredungen irgendeine Gültigkeit haben. Vor allem dann nicht, wenn sie außerhalb der eigenen Komfort-Zone liegen.

Anders ausgedrückt, es ist ein Zeichen der Wertschätzung, sich an Verabredungen zu halten. Und ein ganz klares Zeichen fehlender Wertschätzung, wenn man es nicht tut. Klar, es kann immer etwas dazwischen kommen – allerdings ist die „Hemmschwelle“, einen Termin abzusagen, durch die neuen simplen und unpersönlichen Kommunikationsmöglichkeiten gefühlt auf Null gesunken. Einen Schritt aus der Komfort-Zone heraus wagen nur noch die wenigsten – „früher“ haben wir das immer irgendwie hingekriegt.

Wenn sich der ein oder andere gerade etwas ertappt fühlt: Vielleicht überlegt ihr euch das nächste Mal, wenn ihr etwas absagen müsst, ob es nicht doch irgendwie möglich ist, die Verabredung einzuhalten. Und falls es wirklich nötig ist, dann nutzt das Telefon zum Telefonieren – nicht zum Tippen. 😉

Geht es euch ähnlich oder liegt es nur an meiner Wahrnehmung, dass da eine unschöne Veränderung stattgefunden hat?

2 Responses

  1. Ein großartiger Beitrag! Und Ja (!!!) Du hast völlig recht! So toll dieser ganze technische Fortschritt auch ist, er tut uns in vielerlei Hinsicht nicht gut.
    Wie Du schon schreibst, werden wir unpersönlich und gleichgültig. Was aber das Schlimmste ist: Wir kommen nicht mehr mit! Diese immense Flut an Informationen, der wir rund um die Uhr ausgesetzt sind, das ständige Online-sein …. unser Leben hat sich sehr verändert und nicht ohne Grund gibt es heutzutage bedeutend mehr psychische Erkrankungen als noch vor beispielsweise 10 Jahren.
    Ich selber schalte mein Smartphone mittlerweile abends, bevor ich schlafen gehe, aus und erst am späten Vormittag wieder an. Bei Verabredungen habe ich es zwar dabei, aber auf „Stumm“ geschaltet und in der Tasche. Im Restaurant würde ich es als Unverschämtheit empfinden, am Tisch damit herumzudaddeln.

    Herzliche Grüße von
    Kerstin

    • Danke für deinen lieben Kommentar! 🙂 Finde ich gut, dass du dein Smartphone nicht deinen menschlichen Begleitern vorziehst, wie es viele ja mittlerweile leider machen. Und klar, 24-Stunden-Erreichbarkeit hinterlässt Spuren in der Psyche. Vielleicht sollten wir uns alle ab und zu mal eine Auszeit von der Technik gönnen.
      Liebe Grüße!

Schreibe einen Kommentar zu Kerstin Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert