Direkt zu Beginn meiner Selfpublishing-Tutorial-Reihe hatte ich euch schon darauf hingewiesen, wie wichtig Korrektorat und Lektorat sind. Das Thema möchte ich noch ein wenig vertiefen und euch die Arbeit eines Lektors etwas näher bringen. Dazu durfte ich die Lektorin Julia Schwaminger mit ein paar Fragen löchern.
Wer ist Julia Schwaminger?
Kennengelernt habe ich Julia durch eine Blogger-Gruppe bei Facebook. Sie führt einen noch relativ jungen Buch-Blog, auf dem sie mit viel Herzblut Rezensionen veröffentlicht – die gerne auch mal etwas kritisch ausfallen.
Wenn sie nicht gerade liest oder rezensiert, ist sie freiberufliche Lektorin. Sie hat ein sprachwissenschaftliches Studium in England absolviert und hat – nicht zuletzt durch ihre Liebe zu Büchern – schließlich den Sprung in die Selbständigkeit im Lektorat gewagt. Zur Zeit befindet sie sich allerdings in Elternzeit. Ich schätze ihre sympathische Art sehr und freue mich, dass ich das Interview mit ihr führen durfte.
Aber nun genug der Vorrede, legen wir los!
8 Fragen an die Lektorin
Wie bist du zum Lektorieren gekommen?
Ich glaube, dass ich schon immer zum Lektorieren eine Affinität hatte. Schon als Kind habe ich alle Bücher verschlungen, die ich so gefunden habe. Dadurch habe ich schon früh einen großen Wortschatz und ein sehr feines Gefühl für Sprache und die verschiedenen Nuancen entwickelt. Später habe ich dann ein sprachwissenschaftliches Studium absolviert und einen Masterabschluss in Dolmetschen und Übersetzen an der University of Salford, Manchester, England erworben. Während dieser Zeit haben mich schon immer privat Freunde und Bekannten gebeten, ihre Texte noch einmal zu überarbeiten. Das hat mir immer unheimlich viel Spaß gemacht. Nach dem Studium habe ich einen kurzen Abstecher ins Angestelltenverhältnis gemacht, aber dann für mich entschieden, meine Talente zu nutzen und das zu tun, was mir Spaß macht: Manuskripte zu lesen und dabei zu helfen, den letzten Schliff anzubringen, sodass aus einem guten Text ein sehr guter Text wird. Bis jetzt habe ich die Entscheidung nicht bereut. Jeder sollte das tun, was ihm Spaß macht und worin er gut ist.
Kannst du privat ein Buch lesen, ohne dass dir die fiesen kleinen Fehler auffallen, die der/die Autor/in vielleicht übersehen hat?
Das ist wahrscheinlich eine Berufskrankheit, aber leider nein. Fehlende Kommata, falsche Silbentrennungen oder einfach nur schiefe Bilder springen mir auch dann ins Auge, wenn ich privat zum Vergnügen lese, und es eigentlich lieber ignorieren würde. Das ist vor allem bei E-Books zum Problem geworden, denn hier gibt es inzwischen viele Bücher, die ohne Lektorat oder Korrektorat publiziert werden. Als Leser merkt man das normalerweise recht schnell. Als professionelle Lektorin ist es unmöglich, das zu übersehen. Aber auch bei professionell verlegten Büchern schleichen sich Fehler ein. Lektoren sind auch keine Maschinen und uns rutscht sozusagen auch mal ein Fehler durch.
Gab es schon ein mal ein Manuskript, das du lektorieren solltest, in dem du aber nichts zu beanstanden hattest?
Ich glaube nicht. Jeder Text, egal wie gut er ist, hat Stellen, die noch verbessert werden könnten. Zum Beispiel indem man Szenen kürzt oder Charaktere mit mehr Tiefe ausstattet. Ich bin sehr perfektionistisch und ein sehr großer Anhänger von Kürzungen. Ein Text ist meines Erachtens erst dann druckreif, wenn man nichts mehr streichen kann. Ich gehe zum Beispiel mit dem Rotstift an alle Manuskripte und streiche aus Prinzip erst einmal zehn Wörter pro Normseite. Man wundert sich, wie viel Unnötiges man auf so einer Normseite findet.
Gibt es Qualitäts-Unterschiede zwischen „klassisch“ verlegten Büchern und Werken aus dem Selbstverlag?
Das hatte ich ja oben schon angesprochen. Man erkennt, wenn ein Lektor am Werk war. Bei den klassisch verlegten Büchern ist ein professionelles Lektorat, oft auch in mehreren Durchgängen, natürlich Pflicht. Wobei es auch hier manchmal Fehler ins fertige Buch schaffen. Beim Self Publishing (für den Begriff gibt es übrigens noch keine einheitliche Schreibweise) merkt man leider sofort, wenn sich der Autor, aus welchen Gründen auch immer, gegen ein Lektorat entschieden hat. Was nicht heißt, dass über den Selbstverlag nicht auch tolle Texte veröffentlicht werden. Tatsächlich habe ich größten Respekt davor, ein Buch ohne die finanzielle und fachliche Kompetenz eines Verlages im Rücken selbst zu verfassen, veröffentlichen und zu bewerben. Aber genau dann finde ich es auch schade, wenn am Lektorat gespart wird, denn es kann den Lesefluss meiner Meinung nach enorm stören. Es tut mir leid, wenn ein an sich gutes Manuskript nicht den letzten Schliff erhalten hat, der es zu einem sehr guten Manuskript gemacht hätte.
Gibt es „Standard-Fehler“, die vergleichsweise häufig vorkommen?
Der absolute Klassiker sind Fehler in Interpunktion und Rechtschreibung. Kommata sind die Plage der deutschen Sprache. Das ist in der englischen Sprache leichter, denn hier heißt es: When in doubt, leave it out. Das geht im Deutschen leider nicht. Ansonsten kommt es auch öfter vor, dass in belletristischen Manuskripten Nebenfiguren oftmals nur Klischees bedienen. Das wird für den Leser schnell langweilig oder anstrengend. Klischees haben ihre Berechtigung, aber wenn sie einen twist haben, dann ist es dem Lesevergnügen eines Manuskriptes meist sehr zuträglich. Bei wissenschaftlichen Arbeiten, wie Bachelor-, Master-, und Doktorarbeiten sehe ich oft den Versuch von Studenten durch unnötige Füllwörter und inhaltslose Phrasen eine bestimmte Wörterzahl zu erreichen. Das kann ich nachvollziehen, ich habe diese Taktik während meines Studiums ja selbst angewendet. Aber es ist der Qualität des Textes sicher nicht förderlich. Wenn ich heute meine Masterarbeit aus dem Schrank nehme und lese, möchte ich am liebsten vor Scham im Boden versinken, so furchtbar ist sie. Eine weitere Fehlerquelle in diesem Bereich ist der konstante Versuch, auch noch eine spannende Erzählweise zu schaffen. Gerade bei wissenschaftlichen Arbeiten ist das aber nicht erwünscht. Hier zählt einzig die Verständlichkeit sowie die inhaltliche und formale Korrektheit.
Welches Genre lektorierst du denn am Liebsten? Und welches magst du eher gar nicht?
Da ich historische Romane sowie Fantasy auch privat am liebsten lese, habe ich einen großen Hang zu diesen Genres. Ich mag aber auch Sachbücher, sofern sie nicht allzu trocken sind und ich mich mit dem Thema identifizieren kann. Ich halte viel vom autodidaktischen Lernen und lektoriere deshalb auch gerne wissenschaftliche Arbeiten, vor allem im Bereich Geschichte. Generell mag ich an dem Beruf, unabhängig vom Genre, dass man ständig dazulernt und seinen Horizont erweitert. Politische Texte hingegen gehören nicht zu meinen Favoriten, weil es zumeist sehr trocken ist und man sich auch schnell auf Glatteis begeben könnte.
Was war das Skurrilste, was du bisher lektoriert hast?
Das ist noch während meines Studiums in England gewesen, als ich noch nicht als Freie Lektorin gearbeitet habe. Ich habe damals in einer WG gewohnt und einer meiner englischen Mitbewohner studierte Musikwissenschaften. Er musste eine Hausarbeit über eine deutsche Band schreiben und bat mich damals, seinen Text inhaltlich und stilistisch zu korrigieren. Wie gesagt, es war privat, und so habe ich ihm geholfen. Es war schon bizarr, einen englischen Text über eine deutsche Band für ein britisches Publikum zu lektorieren. Letztendlich hat mein Mitbewohner dann zwar eine 1,0 auf seine Arbeit bekommen (due to his unique perspective on German culture) aber so etwas würde ich heute nie wieder machen. Es widerspricht jeder ethischen und universitären Richtlinie, eine solche Arbeit, egal welcher Art, inhaltlich zu lektorieren. Skurril war es aber auf jeden Fall..
Du rezensierst auch Bücher auf deinem Blog – glaubst du, dass du als Lektorin ein wenig kritischer bist als andere?
Manchmal habe ich Momente, in denen ich daran denke, was in einem einzelnen Buch an Arbeit steckt, sodass ich wahrscheinlich gnädiger als andere bin. An manch anderen Tagen bin ich sehr hart, weil es mich mal wieder ärgert, wenn ein Text vor Fehlern nur so strotzt und ich der Geschichte inhaltlich nicht mehr folgen kann, und durch die Fehler zu sehr abgelenkt werde. Außerdem mag ich es überhaupt nicht, wenn die Charaktere nicht ausgereift oder sonst irgendwie nicht ganz „rund“ sind. Das ist für mich schnell mal ein Grund, eine schlechte Kritik zu schreiben. Denn meiner Meinung nach steht und fällt eine Geschichte mit ihren Figuren. Wenn diese nicht nachvollziehbar sind, gerät die ganze Geschichte aus dem Gleichgewicht. In solchen Fällen bin ich wirklich gnadenlos. Das kann man auch recht bald auf meinem Blog nachlesen, denn ich plane eine Artikelserie über eine Buchreihe, in der ich mich endlos über die Hauptfigur aufregen könnte. Alles in allem würde ich aber nicht sagen, dass ich wegen meinem Beruf kritischer als andere bin, das hängt eher von meiner Tagesform ab.
Neugierig geworden?
Selbstverständlich könnt ihr Julia virtuell auf ihrer Webseite (Edit: Blog und Webseite sind mittlerweile offline) einen Besuch abstatten. Vergesst auch nicht, bei ihrem Bücher-Blog vorbei zu schauen, es lohnt sich! Und ja, natürlich findet ihr sie auch bei Facebook (Edit: Die Seite existiert nicht mehr). Wenn ihr nun überzeugt seid, dass eurem Text ein Lektorat nicht schaden würde, dann zögert nicht, sie anzuschreiben. Übrigens ist sie auch die erste, die den Blog-Planer ausprobieren durfte!
Danke liebe Julia für das Beantworten der Fragen und die netten Gespräche. 🙂 Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit Selbständigkeit, Familie, Blog und deinem Bestreben, aus guten Texten sehr gute zu machen!
Das Chaospony aka Sandra Lina bloggt nicht nur und schreibt das ein oder andere Büchlein, es ist auch noch das Verleger-Pony im Chaospony Verlag. Finden kann man es auf Konzerten, Buchmessen, Festivals oder in der Buchhandlung Zeilenmagie (die hinter der Theke mit den bunten Haaren).
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